Die zehn Gebote


um den Sozial- und Steuerstaat am besten auszunehmen



"Ist's Wahnsinn, hat es doch Methode!"

GOETHE

Alle Welt dürstet nach sozialer Gerechtigkeit.
Leider weiß niemand, was damit gemeint ist. Früher hieß es, gerecht sei, was dem Volke nützt; heute glaubt man statt dessen, gerecht sei, was einem selber nützt. Zumindest handelt man nach diesem Grundsatz, und der real existierende Sozialstaat deutscher Prägung lädt dazu ein, ihn anzuwenden. - Im Folgenden wird aufgezählt, was dabei zu beachten ist. Das

1. Gebot
verlangt, auszugeben, was man ausgeben kann. Sparen lohnt nicht; am wenigsten lohnt es dann, wenn man sich dem Ruhestand nähert. Falls Sie auf den zusteuern, sollten Ihre Rücklagen auf keinen Fall den von Hans Eichel großmütig zugestandenen Freibetrag von 200 Euro je Lebensjahr überschreiten. Falls Sie es mit der großen Mehrheit unseres Volkes halten und sich mit sechzig verrenten lassen wollen, wären das maximal 12 000 Euro. Was an Ersparnissen, seien es Lebensversicherungen oder Riester-Renten, Wertpapiere oder Immobilien, darüber hinausgeht, ist vom Übel, weil es Ihre Ansprüche mindert. Machen Sie es wie jene vierköpfige Familie aus Bingen, die eine ihr unverhofft zugefallene Erbschaft innerhalb kürzester Zeit verprasste, anschließend Sozialhilfe beantragte - und Recht bekam. Das können Sie auch! Daraus folgt das

2. Gebot
Versuchen Sie nicht, Vermögen zu bilden (für das Sie Steuern zahlen müssen), sondern Verluste zu machen (mit denen Sie Steuern sparen können). Auch wenn die in Deutschland beliebten Steuersparmodelle nur für Großverdiener wirklich lohnen, können auch kleinere Leute durch Abschreibung etwas reicher werden. Ganz so weit wie ein Vorstandsmitglied werden Sie es auf diesem Wege wohl nicht bringen, doch macht auch Kleinvieh Mist. Die Pfennigfuchserei lohnt, weil in Deutschland die Steuern nicht von denen erhoben werden, die sie am besten zahlen können, sondern von denen, die zu ehrlich, zu dumm oder zu nachlässig sind, sich gegen den Zugriff des Staates zu wehren. Der deutsche Finanzminister lebt weder von den ganz Reichen noch von den ganz Armen, sondern vom breit definierten Mittelstand. Weil das so ist, sollten Sie das

3. Gebot
beachten und auf keinen Fall heiraten. Nicht nur, weil Sie mit der Heirat schwer kalkulierbare Unterhaltsverpflichtungen eingehen, sondern vor allem deswegen, weil sie sich mit der Ehe für die Lebensform der Minderheit entscheiden; und Minderheiten werden, wie wir aus Erfahrung wissen, in der Mehrheitsdemokratie regelmäßig über den Tisch gezogen. Nehmen Sie sich lieber das Pärchen zum Vorbild, das unverheiratet blieb und aus seinem doppelten Einkommen zwei Penthouses erwarb, die es sich wechselseitig vermietete, um mit dem rechnerischen Verlust gleich zweimal Steuern zu sparen. Gelohnt hat die Ehe noch nie, doch heute wird sie zum Verlustgeschäft. Das gilt vor allem dann, wenn sie Kinder haben. Wenn Sie das eingesehen haben, wird es Ihnen leicht fallen, auch das

4. Gebot
zu befolgen und auf Kinder zu verzichten. Nehmen Sie lieber einen Hund, der ist billiger! Von allen Wegen, bei der Umverteilung gut abzuschneiden, ist der Verzicht auf Kinder der einfachste. Das Einzelkind mag ja noch angehen; dann haben Sie für alle sichtbar bewiesen, dass Sie können, und kehren auf dem schnellsten Weg dorthin zurück, wo nach übereinstimmender Ansicht der Bundesregierung, der Unternehmer und der Gewerkschaften das wahre Leben spielt, an Ihren Arbeitsplatz. Einbußen bei der Altersversorgung brauchen Sie nicht zu befürchten, da man im deutschen Rentnerparadies von Kindern leben kann, ohne selbst welche zu haben: von Kindern anderer Leute eben. Die Umverteilung macht's möglich. Wenn alle Vorsicht nichts geholfen hat und Sie ein Kind in die Welt gesetzt haben, brauchen Sie trotzdem nicht zu verzweifeln - vorausgesetzt, Sie halten sich an das

5. Gebot
Das empfiehlt Ihnen, Ihr Kind schlecht oder gar nicht zu erziehen; denn dann, aber auch nur dann springt die Gemeinschaft ein; und wie! Mit bis zu 5000 Euro im Monat, dem Dreißigfachen dessen, was Sie als Kindergeld zu erwarten haben. Wenn Sie Ihre Erziehungspflicht vernachlässigen und Ihr Kind auffällig wird: freuen Sie sich! Dann bleiben Ihnen die Selbstvorwürfe erspart, die sich ein Vater neulich machte, nachdem er von den märchenhaften Angeboten gehört hatte, mit denen die jugendlichen Delinquenten von der Erlebnispädagogik verwöhnt werden. Welche Straftaten er seinen Kindern empfehlen solle, um sie trotz seines begrenzten Einkommens in den Genuss einer erlebnispädagogischen Fernreise nach Australien oder Neuseeland kommen zu lassen, wollte der Mann wissen. "Ist die Entfernung von der Zahl der Straftaten abhängig? Wie sieht die Mengenstaffel aus? Beispielsweise: Ladendiebstahl gleich Mittelmeer oder fünfmal schwerer Raub gleich Übersee?" Sie tun sich selbst und Ihrem Kind etwas Gutes, wenn Sie es auf die schiefe Bahn geraten lassen! Gezielte Vernachlässigung lohnt aber nicht nur bei Kindern, sie lohnt auch bei sich selbst. Denn so werden Sie anspruchsberechtigt, und Ansprüche zu erkennen, zu erheben und durchzusetzen, ist im Wohlfahrtsstaat das A und O. Das

6. Gebot
lautet deswegen: Tun Sie nicht allzu viel für Ihre Gesundheit! Gesundbleiben ist ja schön und gut, Gesundwerden aber noch viel schöner, weil dafür die anderen aufkommen müssen. Da das deutsche Krankenversicherungswesen den sparsamen Umgang mit medizinischen Leistungen nicht belohnt, gibt es nur ein Verfahren, persönlich einen guten Schnitt zu machen: den möglichst üppigen Verbrauch. Die goldene Regel des Sozialstaates - Vorteile für sich zu behalten und Nachteile auf die Gemeinschaft abzuwälzen - lässt sich nirgendwo leichter befolgen als im Gesundheitsapparat, die halbherzige Reform von Ulla Schmidt hat daran nichts geändert. In einem System mit festem Einsatz und unbegrenzten Ansprüchen verhält sich derjenige kostenbewusst, der rausholt, was man kann. Millionen von Pflichtversicherten handeln nach dieser Regel. Warum nicht auch Sie? Ähnliches gilt für die Altersversorgung. Auch hier machen Sie nur dann einen guten Schnitt, wenn Sie das

7.Gebot
beachten und sich früh verrenten lassen, so früh wie möglich. Vergessen Sie nie, dass das Rentenzugangsalter nur auf dem Papier bei 65, tatsächlich aber bei 60 Jahren und darunter liegt. Warum sollten Sie die damit verbundenen Vorteile denen überlassen, die fixer sind als Sie? Was andere können, können Sie auch, notfalls hilft das Gefälligkeitsgutachten eines befreundeten Arztes. Wenn Sie es endlich geschafft haben, vorzeitig in Rente zu gehen, liegt noch ein Drittel Ihres Lebens vor Ihnen, eine Periode, in der Sie Zeit in Hülle und Geld in Fülle haben, immer vorausgesetzt, Sie beeilen sich. Die wirklich harten Zeiten stehen ja erst den Angehörigen kommender Jahrgänge bevor. Machen Sie es also wie die Marquise de Pompadour, handeln Sie nach der Maxime "Nach mir die Sintflut" und stellen Sie schon morgen Ihren Antrag auf Frühverrentung. Der Schwerbehindertenausweis ist dabei nützlich! Jeder zehnte Berliner hat ihn schon: warum Sie noch nicht? Am besten weg kommen Sie dann, wenn Sie Ihr Arbeitsleben nicht nur am Ende, sondern auch am Anfang kappen. Das erreichen Sie, indem Sie das

8.Gebot
ernst nehmen und nicht nur studieren, sondern möglichst lang studieren. Schließlich gehört das Studium, anders als der Besuch eines Kindergartens, zu den öffentlich hoch subventionierten Gütern, und wenn es nach Edelgard Bulmahn geht, dann wird das auch so bleiben. Als ewiger Student lenken Sie möglichst viel von diesem öffentlichen Wasser auf Ihre private Mühle; wer zügig studiert, verzichtet auf ein Geschenk aus öffentlichen Kassen, und wer will das schon? Zwar haben sich einige Bundesländer vorgenommen, durch die Einführung von Studiengebühren den Langzeitstudenten das Leben schwer zu machen; da Hochschulrecht aber Landesrecht ist, wird es auch in Zukunft einige Länder geben, die das Recht auf Bildung großzügig auslegen um jeden so lange und so erfolglos studieren zu lassen wie sie oder er will. Wechseln Sie also, wenn es ernst wird, aus einem gebührenpflichtigen in ein gebührenfreies Land, dann kommen die dem Ideal des arbeitsarmen Lebens näher. Dennoch wird es Ihnen kaum erspart bleiben, zwischen Ihrem 30. und 60. Lebensjahr, während eines runden Drittels Ihrer voraussichtlichen Lebenszeit also, gelegentlich zu arbeiten. Das ist bedauerlich, lässt sich aber ertragen, wenn Sie das

9. Gebot
beachten und auf so antiquierte Tugenden wie Eigeninitiative und Selbstverantwortung verzichten. Wie man das macht, wissen die meisten von uns, das Recht auf Faulheit gehört schließlich zur Grundausstattung des Menschen. Wenn Sie trotzdem Anregungen und Hinweise benötigen, empfiehlt sich die Lektüre der reichlich vorhandenen Ratgeberliteratur. Unübertroffenes Musterstück ist nach wie vor die Broschüre, in der Rudolf Scharping namens der SPD-Fraktion "Tipps und Hilfen für den Umgang mit den Sozialämtern" gegeben hat. Da können Sie lernen, wie Sie es anstellen, das eigene Auto am Zugriff des Sozialamtes vorbeizusteuern. Sie müssen nur vermeiden, das Auto im eigenen Namen zu betreiben: "Gehört es nicht Ihnen, sondern einem Verwandten oder Freund, der es Ihnen zum Fahren überlässt, kann das Sozialamt den Verkauf nicht fordern." *) Na also! Nehmen Sie sich jene sechsköpfige Familie aus Köln zum Vorbild, die von der Stadt Sozialhilfe bezog und gleichzeitig drei Autos unterhielt, darunter einen Mercedes der S-Klasse. Damit wären wir beim letzten und wichtigsten, dem

10. Gebot
Sie müssen wissen, dass der Umverteilungsapparat, wie er in Deutschland eingerichtet worden ist, nicht den Bedarf befriedigt, sondern das Know-how belohnt. Warum sonst ist der Anteil an Schwerbehinderten nirgends sonst so groß wie in den Versorgungsämtern? Investieren Sie deshalb nicht in Arbeit oder in Immobilien, in Wertpapiere oder in Kinder, sondern in einen guten Berater. Der ist sein Geld allemal wert. Machen sie es im Kleinen wie die Leute von Vodafone im Großen, die ihren Antrag auf die steuersparende Abschreibung von 50 Milliarden Euro doch nur deshalb stellen konnten, weil sie genug versierte Rechtsbrater, Steuerberater, Anlageberater, Unternehmensberater beschäftigten, um sich von ihnen erklären zu lassen, wie man so etwas macht. Der Schlüsselsatz im deutschen Steuer- und Sozialstaat heißt nicht: "Arbeiten Sie!" oder "Seien Sie fleißig!" oder "Lassen Sie sich etwas einfallen!", sondern "Stellen Sie einen Antrag!" Den dürfen Sie stellen, wenn Sie dazu berechtigt sind. Ob Sie das sind, haben sie weitgehend selbst in der Hand.

*) 2004 leider nicht mehr direkt zu beziehen

Falls Ihnen jedoch diese 10 Gebote übertrieben vorkommen, sollten Sie mal die Bekanntschaft eines Mitarbeiters vom Sozialamt machen. Die haben an der täglich praktizierten Umverteilung jedenfalls ihre helle Freude. Dass sie die Wohltaten des "Sozialfeudalismus" (E. Hamer) mit ihren eigenen Lebensumständen vergleichen, liegt nahe. Verfasser dieser anonymen Schrift dürfte ein Insider aus der oberen Sozialbürokratie sein, der sich über diese selbstmörderischen Exzesse genügend ergrimmt und sich jetzt – bei hoher Sachkunde – so mal richtig Luft gemacht hat.

Ein Lump, der mehr gibt, als er hat.


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©R.Woldag
FAMILIENWEHR

Mai 2005